Von ganzem Herzen Löwe

Eine aufregende Woche liegt hinter Birger Vette. Alles fing mit einem Anruf des Bürgermeisters an. „Du sollst geehrt werden, weil du dich seit Jahren für die Gemeinde und die örtlichen Vereine einsetzt“, teilte ihm Holger Jensen mit und erklärte, dass die Zeitung über ihn berichten möchte und auch das Radio sich angekündigt habe.

Nachdem der Interviewtermin feststand, geriet der Löwenstedter in helle Aufregung. Tagelang sprach er von nichts anderem mehr und rang lange mit sich, was er zu dieser Gelegenheit anziehen soll. Entschieden hat er sich schließlich für die Feuerwehruniform, „weil die am meisten hermacht“, wie er sagt. Ansonsten hätten noch die Arbeitsklamotten zur Wahl gestanden, die er trägt, wenn er am Feuerwehrhaus Rasen mäht, bei Veranstaltungen den Verkehr regelt oder in der Gemeinde beim Müllsammeln hilft. Oder das Fußballtrikot, denn der 42-Jährige steht bei Freundschaftsspielen des SV Blau Weiß Löwenstedt im Tor der Altherren-Mannschaft. „Da muss ich mich nicht so viel bewegen“, antwortet er erfrischend ehrlich auf die Frage, warum das Tor seine Lieblingsposition ist, und nicht die des Libero.

Dass all das für ihn nicht ganz so selbstverständlich ist, wie für andere Männer seines Alters, merkt man erst auf dem zweiten Blick, denn Birger Vette kam mit einer Lernbehinderung zur Welt. Der Löwenstedter arbeitet in den Husumer Werkstätten. „Ich schraube dort Lampen für den Straßenbau zusammen. Die verschicken wir in alle Welt“, erzählt er stolz.

In seinem Heimatdorf war seine Behinderung nie ein Thema: Sein inzwischen verstorbener Vater nahm ihn von Anfang an überall mit hin – zur Feuerwehr, in der er als Gruppenführer große Verantwortung trug, zum Reitplatz und zum Sport. Und weil er seinen Sohn schon sehr früh angemeldet hat, ist Birger bereits seit 40 Jahren Mitglied im SV Blau-Weiß Löwenstedt. „Einmal Löwe, immer Löwe“, das ist seine Devise. „Er ist tatsächlich einer der treuesten Fans auf dem Platz und sowohl im Training als auch im Spiel total aktiv. So oft es geht, fährt er zu den Auswärtsspielen mit und ist insgesamt der am besten ausgestattete Sportler im Verein“, erzählt der SV-Vorsitzende Sven Jensen von unterschiedlichen Fan-Outfits, an denen jeder stets ablesen könne, „ob Dortmund gut gespielt hat oder die Bayern Meister geworden sind“. Birger sei immer dementsprechend gekleidet, von Kopf bis Fuß.

Gern greift der Verein bei Sportevents und Reitturnieren auf Birger Vettes unerschütterliche Konsequenz als Parkplatzwächter zurück. „Wenn er die Order bekommen hat, niemanden durch die Absperrungen zu lassen, dann kommt auch keiner an ihm vorbei“, sagt Sven Jensen voller Anerkennung. Birgers Mutter Frauke Vette ist gerührt, als sie während des Interviews die lobenden Worte über ihren Sohn hört, der dank tatkräftiger Unterstützung durch die Arche Husum inzwischen in Löwenstedt in einer eigenen Wohnung leben kann. „Er weiß sich zu helfen, wenn er etwas nicht alleine schafft“, sagt sie und erzählt, dass es bei den abendlichen Telefonaten oft nur so aus ihm heraussprudelt: „Ich bin immer bestens informiert, was hier in Löwenstedt los ist“, sagt sie.

Nach Husum zu ziehen, um mit sehr viel weniger Aufwand zur Arbeit in die Werkstätten zu kommen, kommt für den 42-Jährigen im Leben nicht in Frage, obwohl er täglich mit dem Bus nach Viöl und von dort aus per Taxi weiter nach Husum muss: „Lieber laufe ich jeden Tag von der Bushaltestelle in Haselund zu Fuß nach Löwenstedt, als in der Stadt zu wohnen“, sagt er ernst. Seine kleine Wohnung ist ihm heilig. Er liebt seine Sammlung kleiner Feuerwehrautos und bastelt viel mit Holz. Der selbstgebaute Bollerwagen leistet ihm bei den Müllsammel-Terminen der Gemeinde beste Dienste: „Damit schafft er ganz alleine eine Tour, für die sonst mehrere Helfer gebraucht werden“, so Holger Jensen.

Als Birger strahlend erzählt, dass er vergangenes Jahr bei einem Brand in Haselund aktiv die Wasserversorgung sicherstellen durfte, bestätigt der Gemeindewehrführer Guido Albertsen, dass er auch diese Aufgabe gut gemanagt hat. „Aus versicherungstechnischen Gründen ist in solchen Fällen aber immer ein ausgebildeter Feuerwehrmann an seiner Seite“, betont er. „Wir freuen uns, dass er sich schon seit 21 Jahren in unserer Mitte so wohl fühlt“, beschreibt auch er die gelungene Integration, die schon der Bürgermeister angesprochen hatte: „Jeder hier weiß ihn zu nehmen. Dank Birger ist Inklusion bei uns im Dorf schon lange selbstverständlich.“

Silke Schlüter / sh:z

Am Mittwoch, 4. April, wurde Birger Vette ab 20 Uhr in der Sendung „Von Binnenland und Waterkant“ (NDR 1 Welle Nord) als „Top Schleswig-Holsteiner“ vorgestellt. Zum Beitrag geht es hier: TOP-Schleswig-Holsteiner

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